15.08.2022

What does Dada actually mean?

Erfahrungen unserer Praktikantinnen Emilia Maier und Sandra Wörz aus den English Studies

(See English version below)

Im Frühling 2022 durften wir - Emilia und Sandra - ein Praktikum im Bereich der Kulturvermittlung und Übersetzung im Cabaret Voltaire machen. Im Rahmen dieses Praktikums haben wir deutsche Texte aller Art – unter anderem Medienmitteilungen, Pressetexte und einen Audio-Guide – auf Englisch übersetzt. Während der Aufbereitung dieser Texte haben wir uns immer wieder mit der Geschichte und dem Wirken vom Cabaret Voltaire und Dada sowie deren englischer Rezeption auseinandergesetzt. Vor dem Praktikum im Cabaret Voltaire hatten wir beide erst wenige Berührungspunkte mit Dada gemacht und waren daher gespannt, was uns erwarten würde. Die Arbeit im Team hat uns viel Freude bereitet und es war sehr spannend, einen Blick hinter die Kulissen eines Kulturortes wie dem des Cabaret Voltaires werfen zu können. Während unserer Zeit im Cabaret Voltaire hatten wir allerdings nicht nur die Möglichkeit, an der englischen Rezeption und Aufbereitung von Texten zu arbeiten, sondern auch bei diversen Veranstaltungen – wie beispielsweise der Neueröffnung und der Ausstellung von ektor garcia – dabei zu sein, wodurch wir die Überschneidung von Kultur, Literatur und Kunst miterleben konnten.

Abschliessend können wir sagen, dass Dada für uns auch nach der Arbeit während unseres Praktikums nicht vollends greifbar ist, doch wahrscheinlich ist es gerade das, was Dada ausmacht. In den folgenden Posts haben wir diesen Punkt noch einmal genauer beleuchtet, die Zeit noch einmal Revue passieren lassen und reflektiert, wie wir Dada nach unserem Praktikum wahrnehmen.

Wir blicken zurück auf eine spannende, anregende und, vor allem, auf eine schöne Zeit und kommen immer wieder gerne zurück zu einem fantastischen Team, zu einem Ort voller Kunst, Sprache und Kultur; zum Cabaret Voltaire.


–Sandra Wörz:

«Die Frage: ‚Was ist Dada?‘ ist undadaistisch und schülerhaft» – Huelsenbeck

Bedeutungsoffen, unfassbar reich oder gezielt arm an Bedeutung. Das ist Dada für mich. Im Rahmen meines Praktikums im Cabaret Voltaire habe ich mich zum ersten Mal intensiv mit Dada befasst und gemerkt, dass Dada alles und nichts ist. Dada ist trunken an Bedeutung und hat keine zugleich. Dada lässt sich nicht festschreiben, -legen, -setzen; Dada schreibt, legt und setzt selbst – Dada findet und erfindet sich stets neu. Federleicht setzt Dada Schwerpunkte, lässt sie in die Höhe steigen und sublimiert sie, sodass ihre Bedeutung immer im Raum, jedoch niemals komplett greifbar wird. Dada schafft es, Fluidität und Subversion zu bieten, in Zeiten, in denen das Rigide, das Fixierte, das Festgeschriebene herrscht, und zu überbieten, in Zeiten, wo alles schon gesehen, gehört, gesprochen zu sein scheint. Dada lässt leise schreien und laut schweigen, Dada ist alles und nichts.

«Dada kann man nicht begreifen, Dada muss man erleben» – Huelsenbeck

Während meines Praktikums im Cabaret Voltaire habe ich genau das getan: Dada erleben, aber nicht vollends begreifen. Ich habe Dada erlebt während des Schreibens, Lesens, während des Sprechens mit Mitwirkenden des Cabarets, während des Nachdenkens im Stillen. Ich habe Dada auch erlebt während der Wiedereröffnung des Cabarets, wo Personen jeden Hintergrunds zusammentrafen, in den Dialog miteinander traten und darstellten, wie Huelsenbeck Dada empfand: «Der Dadaist ist ebenso Künstler wie Allanbeter, ebenso globe-trotter wie Metaphysiker, ebenso Mantiker wie Geschäftsmann» (Huelsenbeck 56). Vor allem habe ich Dada auch in der Zusammenarbeit mit Emilia erlebt, mit der ich an der englischen Übersetzung und Rezeption von Dada arbeitete, was mir ein grosses Vergnügen war.

«Die Zeit ist dada-reif.» - Huelsenbeck

Bei der Arbeit mit und um Dada stellte sich mir immer wieder die Frage, wie Dada es schafft, auch heute noch subversiv zu funktionieren, in einer Zeit, in der Fluidität und Subversion Alltagsbegriffe geworden sind. Die Antwort auf diese Frage ist ebenso wenig eindeutig wie Dada selbst. Dada bewegt die Zeit und bewegt sich zugleich mit ihr zusammen. Dada und die Zeit tanzen arhythmisch, anachronistisch, taktlos, unanständig. Wenn die Zeit um 1920 «dada-reif» war, wie Huelsenbeck verstand, dann ist sie jetzt nicht etwa ‘reifer’, sondern anderweitig zugänglich für Dada geworden. Wenn Dada einst Subversion bedeutete, ist Dada nun ebenso Subversion der Subversion.

«Dada [hat] nichts mit ‘Verrücktheit’ zu tun» - Huelsenbeck

Dada verbindet, ohne Linien zu ziehen. Wo klare Verbindungen geschaffen werden, fehlen klare Linien. Nicht nur während der Arbeit im Cabaret Voltaire, sondern auch darüber hinaus durfte ich die verbindende Wirkung von Dada immer wieder erleben. Dada erschliesst neue Bekanntschaften und eröffnet Gespräche, die zuerst vielleicht verrückt erscheinen mögen, dann aber immer aufschlussreich und interessant sind. Ein solches Gespräch, welches mir Dada eröffnete, war jenes mit einem älteren Herrn, den ich an einem Kulturabend in Zürich kennenlernen durfte. Nach einigen ausgetauschten Worten kamen wir auf Dada zu sprechen und stellten beide fest, dass das Interesse für Dada uns – unterschiedlicher hätten wir nicht sein können – verbindet. Was von aussen so aussehen musste, wie eine optische Antithese auf vier Beinen, wie zwei Verrückte, die sich gerade erst getroffen hatten, sich aber nun aufgeregt unterhielten, waren in Wirklichkeit aber zwei Menschen, die eine Verbindung in Dada gefunden hatten, was schliesslich «nichts mit 'Verrücktheit' zu tun [hat]».

–Emilia Maier:

«Die Frage „Was ist Dada?“ ist undadaistisch und schülerhaft [...] Dada kann man nicht begreifen, man muss es erleben» (Richard Huelesenbeck)

Im Frühjahrsemester 2022 hatten Sandra und ich die Möglichkeit, als Praktikantinnen am Cabaret Voltaire bei der Übersetzung des Audio Guides und der Ausstellungstexte für die Neueröffnung mitzuwirken. Im Rahmen meines English Studiums durfte ich so miterleben, wie das Übersetzen von Texten zu Kunstausstellungen und Objekten in einem Team abläuft und konnte zugleich einen Blick hinter die Kulissen bei der Vorbereitung der Neueröffnung des Cabarets werfen. Trotz einer allgemeinen Vorstellung zur Geschichte des Dadaismus und einigen Besuchen im Cabaret Voltaire in den Jahren vor der Neueröffnung, stellte sich mir dabei anfänglich die Frage was ist Dada eigentlich?

Im Verlauf des Praktikums ergaben sich viele verschiedene Antworten auf diese Frage. Durch das Mitwirken an dem Audio Guide lernte ich auf interessante Weise, sozusagen Puzzle-haft, beim übersetzen der einzelnen Kapitel, viel über die Geschichte des Cabaret Voltaire und somit über die Entstehung des Dadaismus. Dabei wurde mir klar, mit wie vielen verschiedenen Materialien und Prozessen Kunst geschaffen werden kann. Gleichzeitig beschäftigten wir uns während des Übersetzens aber auch mit moderneren Aufarbeitungen der Bewegung, wie beispielsweise mit feministischen und postkolonialen Auseinandersetzungen mit dem Dadaismus. Solche Aufarbeitungen sind auf jeden Fall noch fortlaufend, und zeigen somit, wie die Kunstbewegung ständig neu gewertet und gelesen wird. Dada erfindet sich (zum Glück?) immer wieder neu.

An der Eröffnung des Cabaret Voltaire am 30. Mai konnten Sandra und ich auch direkt mit Menschen sprechen und erleben, wie die unterschiedlichen Interessen und Hintergründe aller Gäste verbunden wurden durch eine geteilte Faszination mit Dada. Insbesondere verbrachten wir viel Zeit in der Dada Bibliothek. Beim Beobachten der Gäste bemerkten wir, wie die Bibliothek für alle eine andere Funktion zu erfüllen scheint. Menschen lesen sich aufmerksam in die verschiedene Sammelbände zur Bewegung hinein, andere suchen eine kurze Ruhepause vom Abendprogramm in den anderen Räumlichkeiten, wieder andere schauen sich den ganzen Abend in die Augen und ignorieren getrost die Bücher um sich herum. Das Haus ist voller Gäste, Mitwirkenden und Interessierten, und nach zwei Jahren Pandemie fühlt sich dieses Erlebnis intensiv an. Die Bibliothek wird zur Informationsquelle, Wissenssammlung, Ruheort und Treffpunkt. Alle Menschen, welche wir an diesem Abend beobachten setzen sich in einer oder anderen Weise mit dem Dadaismus auseinander; als Inspirationsquelle, als Geschichte, welche man in Büchern findet, als Musik, welche in diesem Augenblick im Nebenraum aufgelegt wird, als Hintergrundgeräusch während mit einem anderen Menschen gesprochen wird.

Für mich ist es somit auch ein halbes Jahr später noch unmöglich, Dada abschliessend zu definieren, macht sich der Dadaismus doch auch durch Subversion aus und bleibt somit ständig in Bewegung. Durch die Zusammenarbeit mit dem Team des Cabaret Voltaires und durch den Kontakt mit Gästen an der Eröffnung habe ich vor allem gelernt, was für persönliche Verbindungen Menschen zu einer Kunstbewegung haben und wie viel Arbeit hinter einem solchen Event steckt. Mir bleibt somit von der Zeit besonders das Zwischenmenschliche hinter der Kunst, so zum Beispiel meine Zusammenarbeit mit Sandra, welche für uns beide gleichermassen amüsant und interessant blieb. In diesem Sinne behält Richard Huelsenbeck recht, als er schreibt: «Dada kann man nicht begreifen, man muss es erleben».

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In spring of 2022 we - Emilia and Sandra - did an internship in the field of cultural mediation and translation at the Cabaret Voltaire. As a part of this internship we translated German texts of all kinds – media releases, press releases and an audio guide among other things – into English. During the preparation of these texts, we repeatedly reflected upon the history and work of the Cabaret Voltaire and Dada, as well as upon their English reception. Prior to doing the internship at the Cabaret Voltaire, we both had only had a few points of contact with Dada and were therefore curious about what to expect. We enjoyed working with the team of the Cabaret and it was very exciting to be able to take a look behind the scenes of a cultural venue like Cabaret Voltaire. During our time at the Cabaret Voltaire, we had the opportunity to not only work on the English reception and preparation of texts, but also to be present at various events, such as the reopening and the exhibit by ektor garcia, which allowed us to experience the intersection of culture, literature, and art.

In conclusion, we can say that Dada is not fully tangible to us even after our internship, but maybe that is precisely what Dada is all about. In the following posts, we have taken a closer look at this point, reviewed our time and reflected on how we perceive Dada after our internship.

We look back on an exciting, stimulating and, above all, beautiful time and will always like to come back to a fantastic team, to a place full of art, language and culture; to the Cabaret Voltaire.


–Sandra Wörz:

«The question: 'What is Dada?" is undadaistic and sophomoric» - Huelsenbeck.

Open to meaning, intangibly rich or purposefully poor in meaning. That's what Dada is for me. It was during my internship at Cabaret Voltaire that I first became intensely involved with Dada and realised that Dada is simultaneously everything and nothing. Dada is drunk with meaning and has none all at the same time. Dada does not allow itself to be written down, laid down, steadily set; Dada itself writes, lays down and sets - Dada is always inventing and reinventing itself. Light as a feather, Dada sets emphases, lets them soar and sublimates them, so that their meaning is always in space, yet never completely tangible. Dada manages to offer fluidity and subversion in times where the rigid, the definite, the fixed prevails, and to surpass this fluidity and subversion in times where everything seems to have already been seen, heard, spoken. Dada allows to shout softly and to be silent loudly, Dada is everything and nothing.

«You can't understand Dada, you have to experience Dada» - Huelsenbeck.

During my internship at Cabaret Voltaire, that's exactly what I did: experiencing Dada, but not fully understanding it. I experienced Dada while writing, reading, while talking to Cabaret contributors, while thinking in silence. I also experienced Dada during the reopening of the Cabaret, where people of all backgrounds met, dialogued, and portrayed what Huelsenbeck felt about Dada: «The Dadaist is as much artist as all-worshipper, as much globe-trotter as metaphysician, as much manticist as businessman» (Huelsenbeck 56). Above all, I also experienced Dada in my collaboration with Emilia, with whom I worked on the English translation and reception of Dada, which was a great pleasure.

«The time is ripe for Dada.» - Huelsenbeck

While working on and with Dada, I kept asking myself how Dada manages to still function in a subversive manner today, in a time when fluidity and subversion have become everyday terms. The answer to this question is as ambiguous as Dada itself. Dada moves time and moves together with it at the same time. Dada dances with time a-rhythmically, anachronistically, tactlessly, indecently. If the time around 1920 was "ripe for Dada," as Huelsenbeck understood it, then it is not 'riper' now, but might have become otherwise accessible to Dada. If Dada once meant subversion, Dada is now equally subversion of subversion.

«Dada [has] nothing to do with 'craziness'» - Huelsenbeck.

Dada connects without drawing lines. Where clear connections are made, clear lines are missing. Not only during my work at Cabaret Voltaire, but also beyond, I was allowed to experience this connecting effect of Dada again and again. Dada opens up new acquaintances and conversations that may appear to be crazy at first, but are, in fact, always enlightening and interesting. One such conversation that Dada opened up for me was that with an elderly gentleman whom I had the pleasure of meeting at a cultural event in Zurich. After exchanging a few words, we came to talk about Dada and we realised that the interest for Dada connected us – two people who couldn't have been more different. What must have looked like the embodiment of an antithesis, like two crazy people who had just met but were now talking excitedly with each other, were in fact two people who had found a connection in Dada, which, after all, «has [nothing] to do with 'craziness'.»

–Emilia Maier:

«The question 'What is Dada?' is undadaistic and student-like [...] Dada cannot be grasped, it must be experienced» (Richard Huelesenbeck).

In the spring semester of 2022, Sandra and I had the opportunity to work as interns at Cabaret Voltaire translating the audio guide and exhibition texts for the new opening. As part of my English studies, I was able to experience how translating texts for art exhibitions and objects is done in a team, and at the same time I was able to take a look behind the scenes in the preparation of the Cabaret's reopening. Despite a general knowedge of the history of Dadaism and several visits to the Cabaret Voltaire in the years leading up to the reopening, I initially found myself wondering what does Dada actually mean?.

In the course of the internship, many different answers to this question emerged. By participating in the making of the audio guide, I learned a lot about the history of the Cabaret Voltaire and thus about the emergence of Dadaism in an interesting, puzzle-like way, as we were translating the individual chapters. It became clear to me how many different materials and processes can be used to create art. At the same time, while translating, we also dealt with more modern reappraisals of the movement, such as feminist and postcolonial explorations of Dadaism. In any case, such reappraisals are still ongoing, and thus show how the art movement is constantly re-evaluated and re-read. Dada is (fortunately?) always reinventing itself.

At the opening of Cabaret Voltaire on May 30th, Sandra and I were also able to speak directly with people and experience how the diverse interests and backgrounds of all the guests were connected by a shared fascination with Dada. In particular, we spent a lot of time in the Dada library. As we observed the guests, we noticed how the library seemed to serve a different function for everyone. People read intently through the various anthologies on the movement, others seek a brief respite from the evening's program going on the other rooms, still others gaze into each other's eyes all evening and happily ignore the books around them. The house is full of guests, contributors and interested people, and after two years of pandemic, the experience feels intense. The library becomes a source of information, a collection of knowledge, a place of rest and a meeting place. All the people we observe that evening are dealing with Dadaism in one form or another; as a source of inspiration, as a history which can be found in books, as the music which is put on in the next room at that very moment, as background noise while talking to and conencting with another person.

For me, even half a year later, it is still impossible to define Dada conclusively, since Dadaism is also characterized by subversion and thus remains constantly in motion. Through the collaboration with the team of the Cabaret Voltaire and through the contact with guests at the opening, I learned above all what kind of personal connections people have to an art movement and how much work is put behind an event like an art opening. In this way, what remains for me from that time is especially the interpersonal behind the art, for example my collaboration with Sandra, which has remained equally amusing and interesting for both of us. In this sense, Richard Huelsenbeck was right when he wrote: «Dada cannot be understood, it must be experienced.»