Eröffnung: 13. Oktober 2022, ab 18:00
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Obwohl auf der alten 50-Franken-Note abgebildet, blieb Sophie Taeuber-Arp, wie so vielen Frauen* im Dadakreis, die Anerkennung lange verwehrt. In den letzten Jahren wurde viel unternommen, ihr Oeuvre zu würdigen, unter anderem mit der Retrospektive «Gelebte Abstraktion», die 2021 von Basel (Kunstmuseum) nach London (Tate) und New York (MoMa) wanderte. Trotzdem gilt es das komplexe Werk der Künstlerin zwischen angewandter, bildender und darstellender Kunst weiter zu ergründen. Es stellen sich viele kunsthistorische und kulturanalytische Fragen, die auch heute noch aktuell sind: beispielsweise zu Abstraktionsverfahren oder Konzepten von Künstler*innenschaft im Kontext von Gattungshierarchien, Geschlechterzuschreibung oder Demokratie. Besonders aufschlussreich sind hierfür die von der Zentralbibliothek Zürich angekauften Briefe Sophie Taeuber-Arps, die jüngst in einem Editionsprojekt von Medea Hoch, Walburga Krupp und Sigrid Schade untersucht wurden. Bisher bezog sich die kunsthistorische Rezeption auf Erinnerungen von Hans Arp und Weggefährt*innen. Mit den Briefen kann erstmals die «eigene» Sicht der Künstlerin und ihr Referenzsystem rekonstruiert werden.
Im Cabaret Voltaire treten Sophie Taeuber-Arps Briefe, vereinzelte Arbeiten, (beispielsweise eine noch nie gezeigte Kette im Besitz von Johanna Lohse) sowie Zeugnisse ihrer Tätigkeit als Lehrerin für textilen Entwurf in der Kunstgewerbschule Zürich in den Dialog mit Werken der Genfer Künstlerin Mai-Thu Perret (*1976, Genf). In Perrets multidisziplinärem Schaffen verbinden sich feministische Anliegen, literarische Referenzen und Fragen zu Kunsthandwerk mit den Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Dabei stehen sowohl politische als auch formale Fragen zu Materialität im Vordergrund. Dada und speziell Sophie Taeuber-Arp stellen eine wichtige Inspirationsquelle für Perret dar. Neben älteren Werken, die Taeuber-Arp zitieren, zeigt die Ausstellung im Cabaret Voltaire neue Arbeiten der Künstlerin. Unter anderem übersetzt Perret ein von Taeuber-Arp entworfenes Übungsblatt aus dem Unterricht für textile Berufe in eine Neonarbeit. Damit überführt die Künstlerin eine weiblich konnotierte Formsprache sowie Muster aus dem Textilhandwerk in ein Medium, das der männlich dominierten Minimal-Art-Tradition folgt. Dem genealogische Interesse Perrets für «Fiber Art» folgend, sind in der Ausstellung auch Arbeiten von Schüler*innen Taeuber-Arps zu sehen, wie Elsi Giauque und Gertrud Sonderegger.
Das Cabaret Voltaire sowie die ehemalige Galerie Dada im Zürcher Sprünglihaus müssen als wichtige Station Sophie Taeuber-Arps gelesen werden. Im Dada-Haus entsteht eine Diskussion zwischen den Werken von Frauen* unterschiedlicher Generationen und Regionen. Taeuber-Arps Jahre im Dadakreis stehen an der Schnittstelle zwischen den Lehrjahren in der Ostschweiz und dem Weg in die Avantgarde, die sie später als Pionierin der abstrakten Kunst unter anderem nach Paris führten. Der Ausstellungstitel «Ich bin wü ü ü ü ü ü ü ü tend» ist einem Zitat aus einem Brief Taeuber-Arps an Hans Arp aus Arosa vom 4. Mai 1919 entnommen, in dem sie sich über einige ihrer Meinung nach effekthascherischen männlichen Dadaisten als «radikale Künstler» echauffierte. Der Brief gibt eine zusätzliche Perspektive auf Taeuber-Arp und Dada, «Ich bin wü ü ü ü ü ü ü ü tend» steht in der Ausstellung aber auch stellvertretend für die Ablehnung von Hierarchien und verengenden künstlerischen Methoden.
Die Ausstellung wird unterstützt von:
Pro Helvetia, Kulturförderung Kanton Appenzell Ausserrhoden, Susanne und Martin Knechtli-Kradolfer Stiftung, Steinegg Stiftung, la République et canton de Genève (DCS), Fonds cantonal d’art contemporain (FCAC)