16.07.2020

«Ich lebe hier im Schweizer Kunstgewerbe»

Sophie Taeubers Ausstellung 1916 in der Zürcher Kunstgewerbeschule

«Ich lebe hier im Schweizer Kunstgewerbe […].» schrieb Sophie Taeuber-Arp 1926 in einem Brief an Hans Arp. Seit über zehn Jahren war sie zu diesem Zeitpunkt als Kunsthandwerkerin tätig und lehrte seit 1916 textiles Entwerfen an der Zürcher Kunstgewerbeschule. 1927 verfasste sie ein Lehrmittel für die Schülerinnen (zu sehen in der Dada-Bibliothek).

Die kunsthistorische Rezeption mit ihrer Einteilung und Hierarchisierung von Gattungen ignoriert ihre Werke vor der «freien Phase» grösstenteils. Erst 1929 in Paris zeigt sie erstmals «autonome» Werke in Kunstausstellungen. Als eine der ersten Ausstellungen oder gar die erste Ausstellung dürfte diejenige vom Februar 1916 in der Zürcher Kunstgewerbeschule gewesen sein. Taeuber (damals noch nicht verheiratet mit Jean Arp) zeigte Kissen in Kreuzstich, Decken in Weiss- und Kurbelstickerei sowie ein Beutel in Perlenstickerei. Im Februar 1916 eröffnete auch das Cabaret Voltaire für fünf Monate seine Tore. Mehrmals trat Sophie Taeuber in der Künstlerkneipe auf, später in der Galerie Dada und gehörte 1918 auch zu den Signierenden des dadaistischen Manifests.

Franziska Anner verfasste 1916 ein Buch über Frauen und das Schweizer Kunsthandwerk. Sie schreibt unter anderem über den Einfluss des Futurismus, Kubismus und Expressionismus auf die angewandten Künste. Über Taeuber hält sie fest, die geometrische Stilisierung der Motive und die Aufmerksamkeit für Quadrat und Rechteck bei der Konzeption des Musters würden ihre Arbeit in einen Dialog mit dem Kubismus stellen. Diese Beschreibung ist einerseits progressiv, anderseits ignoriert sie, dass die angewandten Künste wichtige Quelle für die Bildende Kunst waren. Auch war Taeuber radikaler als viele in der Bildenden Kunst.

Das Kissen befindet sich in der Sammlung des Museums für Gestaltung, Zürich: https://www.eguide.ch/de/objekt/ohne-titel-5/

Die Publikation Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz von Franziska Anner, herausgegeben von Carl Ebner 1916 in Chur, ist neu Teil der Cabaret-Voltaire-Sammlung.

Salome Hohl

Literatur:
– Medea Hoch, «Unstete Staffelungen. Sophie Taeuber-Arps Werk im Spannungsfeld der Gattungen», in: Grenzgänge zwischen den Künsten. Interventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen, hrsg. v. Jennifer John, Sigrid Schade, S. 81-96.
– Bibiana Obler, «Taeuber, Arp, and the Politics of Cross-Stitch», in: The Art Bulletin, Nr. 2, Vol. 91, Juni 2009, S. 207-229.

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