27.08.2020

Aus dem Bericht von Anna Dück zum internationalen Frauenkongress in Zürich im Mai 1919

Zur Verhandlung der Rolle der Frau in der internationalen Politik im Rückblick auf den ersten Weltkrieg und mit Blick auf den Friedensvertrag von Versailles, den Völkerbund und die Erziehung der nachfolgenden Generation

Im Folgenden ist der Bericht von Anna Dück mit dem Titel Internationaler Frauenkongress in Zürich: 12. bis 19. Mai 1919 gekürzt wiedergegeben und mit kursiven Zwischentiteln versehen.

Das vollständige Protokoll zum Kongress wird im Schweizerischen Sozialarchiv aufbewahrt. Der kommentierte Bericht der St. Gallerin Anna Dück-Tobler wurde 1919 in der Schweizerischen Lehrerinnnenzeitung veröffentlicht. Für dieses Organ schrieb Anna Dück zwischen 1915 und 1919 Berichte von Aktivitäten des Bunds Schweizerischer Frauenvereine. Sie war ausserdem Mitherausgeberin der Zeitschrift Frauenbestrebungen und hatte sich 1916 für die Gründung der ersten Berufsberatungsstelle für Mädchen und Frauen in St. Gallen eingesetzt.

Dada entstand in Zürich in der Zeit des ersten Weltkrieges. Die Dadaist*innen suchten Zuflucht in der vom Krieg ausgenommenen Schweiz, wo es für künstlerische wie politische Arbeit trotz Überwachung mehr Möglichkeiten gab. Viele der Erzeugnisse der Dadaist*innen beziehen sich auf den Krieg. Während sie die Kriegsführung lautmalerisch verhöhnten und beklagten, beschäftigten sie sich mit der Entwicklung neuer Formen und Werte. Sehr ähnlich sind die Bestrebungen der internationalen Frauenrechtler*innen, die 1919 nach einem vierjährigen Unterbruch erstmals wieder tagten und für die Zusammenkunft ebenfalls Zürich wählten. Auch wenn das gemeinsame Hauptanliegen am Kongress die Verhinderung weiterer militärischer Konflikte war, so galt es doch, nun viel mehr zu verhandeln und zu fordern.

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Das Komitee für dauernden Frieden kommt nach vier Jahren Unterbruch wieder zusammen

«Das internationale Frauenkomitee für dauernden Frieden, das sich während des Krieges im Anschluss an den Haager Frauenkongress Ende April 1915 gebildet hatte, veranstaltete diesen Kongress in Zürich. An der Spitze dieses internationalen Komitees steht Jane Addams, die Gründerin und Leiterin des Settlements Hull House in Chicago, an der Spitze des schweizerischen Nationalkomitees ein Fünferkomitee, das von Frau Clara Ragaz präsidiert wird.

146 Frauen kamen aus 15 Ländern als Delegierte so in unser neutrales Land zu Gaste, nicht eingerechnet, die nicht delegierten Gäste, und wir Schweizerinnen hatten die Freude, so viele bedeutende Frauen in solcher Nähe bei uns vereinigt, zu sehen, wie es vielleicht in einem Jahrzehnt nicht mehr vorkommt.»


Frauen aus aller Welt reisen an

«Wer die internationale Frauenbewegung einigermassen verfolgt hatte, der fand viele bekannte Namen vor. Da führte den Vorsitz Jane Addams, eine Frau Mitte der Fünfziger, von der der Bürgermeister von Chicago öffentlich gesagt hatte, dass sie der erste und bedeutendste Bürger seiner Stadt sei. Ihr zur Seite links sass die Sekretärin, Miss Chrystal Mac-Millan [Chrystal Macmillan], eine bekannte Führerin der Frauenbewegung in England, rechts Dr. Aletta Jakobs, die Präsidentin des holländischen Frauenbundes. Als Übersetzerinnen amteten Lida Gustava Heymann, eine hohe, blonde, geistvolle Frauenführerin aus München und Miss Sheepshanks, die Redaktorin der internationalen Frauenstimmrechts-Zeitschrift, „Jus Suffragii" aus London. Da war die herbe, alte, weisshaarige Mrs. Despard, die zu den "militanten" Stimmrechtlerinnen in England vor dem Kriege gehört hatte, da waren die humorvolle Mrs. Swanwick und Mrs. Ethel Snowden, ebenfalls aus England, Mrs. Pethick Lawrence und Miss Crawford aus Schottland, Miss Bennet aus Irland, Frau [Louise] Keilhau aus Norwegen, Dr. Anita Augspurg und Frau Perlen aus Süddeutschland. Dr. Helene Stöcker aus Berlin, Vilma Glücklich aus Ungarn, Frau Beer-Angerer und Frau Herzka aus Österreich, Mrs. Füller und Emile Balch aus Neuyork und Janette Rankin, die erste Vertreterin im amerikanischen Repräsentantenhaus. Da kamen in den letzten Tagen Mme Reverchon und Mme Mélin aus Frankreich, und Vida Goldstein und Mrs. John aus Australien und viele andere Frauen, auch aus Italien, Schweden, Dänemark, Bulgarien usw. Und das, was diesen Kongress vor demjenigen im letzten Jahr zur Völkerverständigung in Bern unterschied, war, dass diese Frauen wirklich aus den betreffenden Ländern herreisten und nicht schon jahrelang in der Schweiz wohnten, weshalb ihm auch viel mehr Wahrheit und Kraft der Propaganda innewohnen wird. Aus Amerika allein kamen 23, aus England 23, aus Deutschland 27 Delegierte; den Französinnen wurden ungemein viele Paßschwierigkeiten in den Weg gelegt; sie sandten eine Reihe von Zustimmungskundgebungen. Mit den Belgierinnen ist es leider bis heute noch nicht gelungen, Fühlung zu gewinnen.»


Rückblick auf die vergangenen Tätigkeiten

«Miss Christal MacMillan [Chrystal Macmillan], erstattete Bericht über die Reisen der beiden Frauendeputationen, die 1915 nach dem Haager Beschluss die Regierungen von 14 Ländern aufsuchten, um sie zur Beendigung des Blutvergiessens zu veranlassen. Leider hörte man nicht auf die Stimme der Mütter — wird man sie jetzt nach all dem unerhörten Jammer noch nicht hören? Aus den Berichten der verschiedenen Nationalkomitees ging hervor, wie in allen Ländern die Frauen sich bemüht hatten um den Frieden, aber mit gebundenen Händen. Verfolgung und Schmähung war ihr Lohn. Auch jetzt bemühen sich Frauen und Männer in den Ententeländern um Aufhebung der Hungerblockade. In England habe sich sogar eine Gesellschaft gebildet, die Protestversammlungen veranstalten will; der Frauenkongress sandte den Veranstaltern dieser Kundgebungen eine Sympathiebezeugung.»


Die Themen des Kongresses

«Nach den Berichten über vergangene Tätigkeit konnte am 2. Tage zur aufbauenden Arbeit geschritten werden. Und wie haben diese Frauen gearbeitet! Die schwierigsten Fragen der Zeit boten ihnen kein Hindernis, sich mit ihnen auseinander zu setzen mit Geist und Gemüt. Alle diese Fragen greifen ineinander wie die Räder in einem grossen Werk und können nicht für sich allein gelöst werden. Doch kann man drei grosse Komplexe unterscheiden, in die sie sich einigermassen gruppieren lassen: 1. Krieg und Friede, im besonderen Versailler Friedensvertrag und Völkerbund, 2. die Stellung der Frau in der Neuordnung der Welt und 3. Erziehungsprobleme.»


Der Vertrag von Versailles - ein Friede der Vergewaltigung

«Mit dem Friedensvertrag von Versailles ging keine einzige der anwesenden Frauen einig, ob der Entente, ob den Zentralmächten oder ob den Neutralen angehörig. Einstimmig wurde dieser Friede als ein Friede der Vergewaltigung verworfen. Käme er zustande, so wäre das nicht nur eine wirtschaftliche und moralische Vernichtung Mitteleuropas, sondern eine Gefahr für die ganze Welt bis ins dritte und vierte Glied. Unfehlbar würden sich dann die Arbeitermassen in allen Ländern solidarisch erklären, und Unruhe und Revolution, d. h. Krieg im Innern und gegen aussen, wäre die unabwendbare Folge. Es war für uns neutrale Schweizerinnen erstaunlich zu sehen, mit welcher Sicherheit und Selbstverständlichkeit die Vertreterinnen aus den Ententeländern und Amerika auch in ihren Ländern die Revolution erwarten. Diese Revolution auf eine Revolution der Geister und Herzen, höchstens auf eine Umwälzung der Regierungen und des Arbeitsverhältnisses zu beschränken, das ist nun ihre grösste Sorge. Blutvergiessen soll auf jede Weise verhütet werden. [...]

Im gleichen hohen Sinne spricht die Schottländerin Frau [Pethick-] Lawrence. Die Zeit vom 26. Mai bis zum 15. Juni ist eine furchtbar kritische Zeit für die Welt. Wie sich in dieser Zeit die Friedensbedingungen gestalten [...] davon hängt nicht das Glück und Wohlergehen dieses oder jenes Landes ab, sondern das Glück und Wohlergehen aller Länder, von unsern Kindern bis zu den Kindeskindern. [...] Wofür haben unsere Männer und Söhne in allen Ländern geblutet? Um das Selbstbestimmungsrecht der Völker? Jetzt verschachert man die Völker ohne und gegen ihren Willen. Um den Krieg auszurotten? Ungerechte Friedensbedingungen werden neue Kriege erzeugen. Um Demokratie? Jetzt herrschen Arbeitslosigkeit, Hunger, industrielle Sklaverei!
Noch stärkere Worte findet Mrs. Snowden aus England. [...] „Versteht mich recht, ich spreche nicht zugunsten einer Nation, wenn ich den Völkerbund, solange er ein „Bund der Sieger" gegen die Besiegten ist, hasse und verabscheue. Nicht eine, sondern alle Nationen werden dabei zugrunde gehen; denn die versklavten Völker und Klassen werden sich frei zu machen wissen."»


Revolution in Bayern

«Gustava Heymann, die wie ihre Freundin Dr. Augspurg frisch aus dem brodelnden Kessel der bairischen Revolution an den Kongress kam, erzählte von tapferen Münchener Frauen, die im Augenblick der höchsten Erregung sich von der Regierung ein Automobil ausbaten und als es ihnen verweigert wurde, auf eigene Faust eines ausfindig machten und in langer Fahrt in das Lager der Gegenregierung reisten, um ihre Vermittlerdienste anzubieten. Doch als sie abends spät nach München zurückkamen, war schon Blut vergossen worden, und es war zu spät. Im Revolutionstribunal, das in übereilten Verhören über Schuldig und Nichtschuldig abzuurteilen hatte, sassen neben 48 Männern auch drei Frauen, und mit Hilfe dieser Frauen wurde während der ganzen Revolutionszeit kein einziges Todesurteil ausgefertigt Dr. Anita Augspurg gab im Namen der bairischen Frauen den Vertreterinnen der andern Ländern den einzigen Rat: Sorget dafür, dass die Männer keine Waffe in die Hand bekommen. Denn haben sie erst das Gewehr in der Hand, so erwacht ihr „bekannter Heldenmut", und auch der feinste und edelste und friedliebenste, auf den man vorher geschworen hätte, er werde es nicht tun, wird ein gänzlich anderer Mensch mit der Waffe in der Hand: er wird förmlich eine Gelegenheit suchen, wo er dreinschlagen kann. Dass es allerdings fast undurchführbar ist, die Waffen alle den Männern aus den Händen zu winden. führt Frau Dr. Augspurg auch aus: Jede Regierung, die eben am Ruder war — und sie wechselte etwa drei-, viermal — forderte stets die Entwaffnung ihrer Gegner und durchsuchte die Häuser bis auf Keller und Dachböden: aber immer wieder im gegebenen Moment waren beide Seiten bis auf die Zähne bewaffnet: die Waffen tauchten plötzlich auf wie aus dem Nichts. Was werden wir Frauen da tun können zur Entwaffnung der streitenden Klassen Ich sehe keinen Weg.»


Zur Umverteilung von Kapital

«In einer Resolution, die von Mrs. Fuller, Neuyork, begründet wurde, suchen die Frauen einen Ausgleich zu schaffen zwischen Arbeit und Kapital. indem sie die besitzenden auffordern, sich restlos auf die Seite der Arbeitenden zu stellen. Hierbei kam es zu eingehenden Erörterungen zwischen den sozialistischen und bürgerlichen Vertreterinnen, welch letztere aufmerksam machten, dass der Kongress denn doch nicht sich einfach auf den Boden der Sozialdemokraten stellen könne. Dr. Aletta Jakobs, Holland, und Dr. Helene Stöcker, Berlin, vertraten besonders diesen Standpunkt. Es sei nicht alles Heil von den Sozialisten zu erwarten. Sie gebrauchten auch Waffen im Bürgerkrieg. Weder Wilson noch Lenin könne die Welt erlösen; das tun Christus und Tolstoi. Alle aber waren darin einig, dass die Gewalt bekämpft werden solle, komme sie von oben oder unten, auf welcher Seite sie auch sei, auf Seite der Regierungen oder der Arbeitermassen. Am demokratischen Prinzip müsse unbedingt festgehalten und keine Diktatur dürfe ertragen werden.»


Revolution in Wien

«Frau Hertzka, Wien, berichtet mit einigem Stolz, dass bei ihnen in Österreich die Revolution völlig unblutig verlaufen sei. Sie haben nun eine der freiesten Verfassungen der Welt und die Demokratie bis ins äusserste durchgeführt. Sie haben nicht einmal einen Präsidenten der Republik; drei Männer sind an der Spitze. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die Regierung ist nicht rein sozialistisch. Grosse Güter werden enteignet mit und ohne Entschädigung. Die Sozialisierung wird allmählich durchgeführt, so dass sie in 20 bis 30 Jahren so weit als nötig gelöst sein wird. Der Grund und Boden in der Nähe der Städte wird als Staatsgut erklärt, um ihn dem Wucher zu entziehen. Den Bauern wird der Grund nicht entzogen; auf dem Wege von Genossenschaften werden Produktion und Preise zum Wohle aller geregelt. Die Revolution habe den Frauen auch völlige Bewegungsfreiheit inbezug auf Frauenbestrebungen und Kampf für einen gerechten Frieden gebracht. Frau Hertzka wünscht jedem Lande eine solch friedliche Revolution. „Wir sagten eines Tages zu Karl von Habsburg: „Geh" und er ging!"»


Das Monstrum Militarismus

«Da war es ergreifend, Miss Vida Goldstein, diese äusserst sympathische Führerin der australischen Frauenbewegung in der zweiten Volksversammlung im St. Peter sprechen zu hören. Sie führte aus, sie sei nun zwei volle Monate auf der Reise gewesen, um hierher an den Kongress zu kommen; endlich am fünften Tage des Kongresses habe sie die Schweizergrenze überschreiten können, und sofort habe sie wahrgenommen, wie ganz anders die Atmosphäre hier in der Schweiz sei. In den 4½ Jahren des Krieges sei Australien, vorher ein so freies Land, völlig versklavt worden im Militarismus. Zweimal wollte man durch Volksabstimmungen die allgemeine Wehrpflicht einführen, und zweimal sei, besonders dank des Frauenstimmrechts, die Vorlage abgewiesen worden. Die Volksabstimmungen seien aber negiert worden, und Australien habe den traurigen Ruhm, jetzt sogar 12½ und 13jährige Knaben zu konskribieren. Der ganze Kontinent liege jetzt in den Ketten des Monstrums Militarismus. Auf ihrer langen Reise, überall bei ihren langen Aufenthalten, in Bombay, in Portsaid, in London, habe sie gesehen, wie Indien, Ägypten, England in Waffen strotze. Die grösste Aufgabe der Frauen sei es in den Ententeländern jetzt, den Militarismus wieder auszurotten. Man tue aber Unrecht, alle Schuld nur auf die Regierungen zu werfen; denn, sagt Miss Goldstein: „Die Regierung ist einfach das Volk!" Das Volk ist ebenso in egoistischen Nationalismus verstrickt wie die Regierungen.»


Die Rolle der Frau in der Aussen- und Innenpolitik

«Eine andere Engländerin, Frau Swanwick, vermochte die tausendköpfige Zuhörerschar im St. Peter ebenso zu fesseln. Sie ist eine besonders tätige Frauenführerin und umfasst mit gleichem Verständnis die Friedensfrage, die Frauenfrage und die Arbeiterfrage. Sie sagt: Das eine ohne das andere Problem ist nicht zu lösen; sie sind eng ineinander verschlungen. Allen dreien ist gemeinsam der Hass gegen Vorrechte und Gewalt. Die Freiheit der Frauen und die Freiheit der Arbeit werden führen zur Freiheit der Völker vom Krieg. Die Männer haben die Welt zu dem heutigen Zustand reduziert. Bewundern sie ihr Werk? Nein, sie müssen die Frauen zu Hilfe rufen. Unwissende Frauen sind aber eine grosse Gefahr. Die Friedensbewegung gedeiht nicht ohne die Frauen. Es nützt aber nichts, nur immer vom Frieden zu sprechen. Wir müssen denken für den Frieden und handeln für den Frieden. Jeden Tag und jede Stunde müssen wir den Frieden machen, er ist nichts Negatives. Wir müssen schon im täglichen Leben viel mehr Pazifisten sein; wir Frauen waren immer viel zu sehr nur Passivisten. Wir haben zu wachsen und uns zu entwickeln, so wie die Probleme der Welt ständig wachsen und sich entwickeln. Es genügt nicht, dass wir sind, wie unsere Grossmütter waren. Auch die Arbeiterbewegung muss mehr und mehr zur Friedensbewegung werden. Das Volk kann die Kontrolle über die auswärtigen Geschäfte in die Hand bekommen, und das morgen schon, wenn es ernstlich will.»


Ihr Beruf ist, Erzieherin zu werden für eine neue internationale Ethik an jung und alt

«Wenn eine Revolution des Geistes kommen soll, so muss unverzüglich eine neue Erziehung eintreten. Sie soll schon in der Kinderstube beginnen, aber ebensosehr — das wurde von vielen Rednerinnen betont — müssen die Erwachsenen beeinflusst werden. Ein neues internationales Bewusstsein muss die Menschen erfüllen. Wir haben bis jetzt nur eine äussere Zivilisation besessen, wir müssen endlich eine Kultur haben; gerade die Frauen sind berufen, Kultur ins Staatsund Völkergeschehen hineinzutragen. Ihr Beruf ist, Erzieherin zu werden für eine neue internationale Ethik an jung und alt! Darum müssen wir für das weibliche Geschlecht in erster Linie selbst eine Ausbildung fordern, die mehr bietet als bisher und hauptsächlich in gesundheitlicher und pädagogischer Hinsicht die Mädchen für den zukünftigen Mütter- und Erzieherinnenberuf vorbereitet. Körperliche Erziehung ist auch für das männliche Geschlecht unabweisbar, aber sie soll den Militärdrill ausschalten und den jungen Bürger nicht nur „militärtauglich" machen.

Im weitern sollten nach Möglichkeit Kinder, Studenten, Lehrer, Vorträge unter den Ländern ausgetauscht werden. [...] Kein Lehrer sollte mehr angestellt werden dürfen, ohne dass er in einjährigem Aufenthalt im Ausland fremde Sitten, Gebräuche und Sprachen verstehen und schätzen gelernt hätte. Diesem Antrag spürt man wiederum die Abstammung aus dem meerumflossenen, abgeschlossenen Albion [Grossbritannien] an. Bei uns ist ein grosser Prozentsatz der Lehrer und besonders der Lehrerinnen im Ausland oder doch im Welschland gewesen. Brauchbare Vorschläge waren die der Schaffung einer internationalen Universität, eines internationalen Lehrerseminars, eines internationalen Erziehungssekretariates mit einer Bücherprüfungsstelle. [...] Alles verschwinde, was den nationalen Hochmut fördern könnte, alles werde unterstützt, was die Achtung vor dem Nachbarlande hebe.»


Abschluss, die Stellung der Frau im Statut des Völkerbundes

«Darüber herrschte [...] gänzliche Übereinstimmung; die Frauenfrage hat bei diesen Führerinnen selbstverständlich aufgehört, eine Frage zu sein. Es kann sich nur noch darum handeln, die wichtigsten allgemeinen Richtlinien in das Statut des Völkerbundes aufnehmen zu lassen. Damit würde in den dem Völkerbund beitretenden Staaten die Frauenfrage automatisch gelöst. Die meisten der Kongressteilnehmerinnen kamen aus Staaten, wo das Frauenstimmrecht ganz oder teilweise eingeführt ist. Eine Dänin und die Norwegerin Frau Keilhau erzählten an den beiden Abendversammlungen im St. Peter ausführlich von ihren in aller Ruhe und Stille eingeführten politischen Rechten und dem, was sie damit machen wollen. [...] Wir fühlen es und glauben, was Mrs. John aus Australien von einem einfachen Soldaten erzählte. „Ja, reisen Sie nach Europa an diesen Frauenkongress. Nur die Frauen sind imstande, den Krieg in der Zukunft zu verhindern." Und es ist so, wie Frau Swanwick sagte: „Die Freiheit der Frauen und die Freiheit der Arbeiter wird die Freiheit vom Kriege bringen." In Würdigung und voller Erkenntnis dieses Gedankens gestaltet sich das internationale Frauenkomitee für dauernden Frieden aus zu einer Frauenorganisation grossen Stils und nennt sich fortan: Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit.

Die Frauen des Kongresses taten am Samstag mit erhobenem Arm den feierlichen Schwur, Protestversammlungen in ihren Ländern zu veranstalten und zu wirken, was in ihren Kräften stehe für einen guten, gerechten und dauerhaften Frieden. Wir glauben an sie! Möge ein guter Stern über der Mission ihrer Fünferdelegation walten, wenn sie in Paris vor den Mächtigen dieser Erde stehen wird!»

Anna Dück, 1919

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Recherchiert, zusammengestellt und kommentiert von Elena Grignoli